Plotten oder Bauchschreiben – keine Frage das ist: ohne Plan geht nichts von Beidem

Vor nicht ganz einem Jahr wollte Autorenkollegin und -freundin Petra K. Gungl wissen, wie andere an ein neues Projekt herangehen. Ja, die übliche Frage nach Bauchschreiben oder Plotten. Während die einen mit den Händen fuchteln und zetern, sie ließen sich durch Planung nicht ihre Kreativität vernichten, fuchteln die anderen mit den Händen und zetern, ohne Plot ginge gar nichts.

Was haben die denn alle?, frage ich mich. Und nachdem ich ja bekanntlich ein Lernaholic bin, habe ich mich – nach den ersten Bauchlandungen als Bauchschreiberin – ja mit vielen Methoden beschäftigt
Da wäre die Heldenreise, das klassische Muster, aus dem Geschichten aufgebaut sind. Gut zu wissen, definitiv.
Dann haben wir die Schneeflockenmethode, bei der man die Geschichte langsam umzingelt, bis man sie zu fassen kriegt.
Dann gibt es 7 Stufen-Methoden, 5-Stufen-Methoden, natürlich auch die 3-Akt Struktur und die 5-Akt-Struktur.
Nicht zu vergessen die Plot-Beats nach Blake Snyder

Ja. Eh.

Aber neben dem Plot – also dem Ablauf der Handlungen – gibt es doch so viel mehr zu bedenken! Wie wichtig so Dinge sind, die den Lesern gar nicht auffallen – die Umgebung zum Beispiel, in der die Geschichte spielt, die Zeit, die Form der Geschichte (entspricht ungefähr dem Begriff des Genre – also das „wie erzähle ich es?“ – witzig, spannend, ernsthaft …), die Charaktere, die Symbole (ist Euch schon einmal aufgefallen, dass verfallene Häuser mit zerbrochenen Scheiben und quietschenden Türen eine völlig andere Stimmung erzeugen, als High-Tech-Bauten aus Metall und Glas oder Villen in der Toskana? – ich meine, so richtig aufgefallen?)
Alle diese Dinge wirken genau wie Musik beim Film. Ich habe noch nie erlebt, das bei einem Thriller, wenn wir uns beim Zusehen die Fingernägel abknabbern sollen, im Hintergrund das Rondo Veneziano läuft. Und dazu strahlender Sonnenschein, Kinderlachen, warme Gelbtöne im Bild überwiegen usw.
Wir Autoren haben alle diese Möglichkeiten nicht, die der Film bieten kann. Wir müssen das mit Worten machen.

Buchstaben, wild durcheinander
Bild: geralt/pixabay

Und deswegen ist Plotten ja ganz nett und wichtig, aber nur ein kleiner Teil des Ganzen. Und deswegen war ich ja mit nichts so ganz zufrieden, was es so an Literatur zum Thema gibt. Bis ich bei einem Webinar in einem Nebensatz den Namen „Truby“ aufgeschnappt und mir sein Buch einmal angeschaut habe. Ein Buch, das es nur auf englisch, französisch, italienisch und – ich glaube – spanisch gibt. Bei jedem dritten Satz (der englischen Originalausgabe) gefragt habe: „Was will er jetzt?“, „Was meint er damit?“ und „Sind das wirklich alles nur Beistriche, oder hat der Satz auch einmal einen Punkt?“ Aber ja, das war das „missing Link“. Genau sowas wollte ich lesen: wie man aus einer Idee ein Gesamtkunstwerk macht. So eines, wo alles mit allem verwoben ist, nichts dem Zufall überlassen bleibt, das Handwerk auf die Spitze getrieben wird.

Und deswegen habe ich mir ja auch die Mühe gemacht, Trubys Buch „The Anatomy of Story“ mit den seitenlangen Schachtelsätzen und Fachausdrücken auf Deutsch zu übersetzen. Und ihm die (noch etwas hatscherte) Übersetzung anzubieten. Wer hätte denn auch gedacht, dass er „Ja, ist interessant“, zurückschreibt? Und zwar keine zwei Tage, nachdem ich die Mail abgeschickt hatte? Und dass er gleich das ganze Werk haben wollte? Nein, das Ganze habe ich ihm natürlich nicht geschickt (nachdem ich recherchiert habe, was man für so eine Übersetzung bekommen kann *gg*). Aber drei Kapitel – nicht mehr hatschertes Deutsch – hat er heute bekommen. Und das Zittern beginnt.

Übrigens ist auch Petra (hier der Link zu ihrer FB-Seite) fast zur gleichen Zeit auf Truby gestoßen wie ich. Und keine von uns schreckt vor der vielen Arbeit zurück, bis Ihr, liebe Leser, etwas in der Hand oder am Tablet habt, das sich leicht und „cosy“ liest und Euch Vergnügen oder Spannung verschaffen soll, aber egal, ob Kurzgeschichte oder Roman: es steckt monatelange Arbeit dahinter, denn es geht hier nicht um Plotten oder Bauchschreiben, es geht um Planung. Und wenn die Planung passt, dann kann die Kreativität erst wirklich fliegen.



#LoveWritingChallenge Tag 23: Pantser vs. Plotter

Kopf oder Bauch – darum geht es in der heutigen Frage. Ratet: setze ich mich hin und schreibe drauflos, oder plane ich – bis hin zu jeder einzelnen Szene – ganz genau?
Falsch.

Wie meistens befindet sich selten jemand an einem Pol, sondern irgendwo dazwischen. Auch ich, obwohl wenn mein Stil vielleicht auf „Bauchschreiber“ tippen lässt. Sofern man nicht weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt, einen Text leicht hingeflossen und spontan wirken zu lassen.
Aber ich plotte auch nicht komplett durch. Es ist nämlich ganz schön langweilig, ein Buch zu  schreiben, das man ja eh schon kennt.

Für das „Bauchschreiben“ spricht (aus meiner persönlichen Erfahrung):
– ich kippe schneller in den Flow und tauche voll in die Geschichte ein
– die Charaktere (siehe Tag 25) haben -fast- freie Hand, sie dürfen tun, was sie wollen und die Geschichte wird dadurch lebendig und frisch.
– Kreativität und fokussierte, also enge, Konzentration schließen einander weitgehend aus (Kreativität findet nur in der Entspannung statt, fokussierte Konzentration ist das genaue Gegenteil davon)
– es geht was weiter – und das motiviert.
– der „innere Lektor“ hat weniger Zeit, Zweifel aufkommen zu lassen; vor allem diese quälenden Zweifel der Autoren an sich selbst.

Nachteile hat die Sache aber auch:
– kennst Du das noch aus der Schule: „Themaverfehlung“ ? Traps, traps – und schon bin ich ganz woanders. Sind mir die Figuren davonspaziert wie Kinder aus der Zeit der komplett (!) antiautoritären Erziehung. Und dann versuch einmal, sie wieder auf Kurs zu bringen!
– Verzetteln. Weil´s grad so schön dazu passt, schreibe ich dann Dinge hinein, die nicht notwendig sind. Komme vom Hundertsten ins Tausendste. Erst vor ein paar Tagen habe ich ganz genau beschrieben, wie eine Frau ihren Blutzucker misst, und dann trotz des Ergebnisses noch ein Stück Apfelstrudel verzwickt. Doch, doch – es war soweit ganz gut. Es hat die Dame auch sehr gut charakterisiert (nicht nur der Griff zum nächsten Stück Kuchen, auch die Art, wie sie vorher gemessen hat) – aber: sowas von unwichtig für die Geschichte! Es ist außerdem nicht einmal die Protagonistin, also wozu dieser Ausflug überhaupt? Aber ja, ich hatte meinen Spaß daran, das ist ja auch was wert … Etwaige Leser werden allerdings unruhig, fragen sich, was das jetzt soll; wann die Handlung endlich weitergeht. Legen das ansonsten grandiose Werk vielleicht gar zur Seite :-O

Für das Plotten spricht (wieder aus meiner persönlichen Sicht):
– Am Thema dran bleiben.
– Das Wesentliche im Auge behalten
– einen roten Faden haben, der durch die Geschichte führt (auch und vor allem mich selbst)
– Das zu schreiben, was ich schreiben will.
– Ich weiß, was wann passieren muss, damit dann später etwas anderes passieren kann (zwei Mal hintereinander die Stufen hinunterlaufen ohne dazwischen auch einmal hinauf, das funktioniert nur, wenn jemand sich verdoppeln oder einen Astralkörper entwickeln kann)

Nachteile:
– strenges Plotten schränkt die Möglichkeiten einer Geschichte ein, sich anders -vielleicht besser- zu entwickeln. Es macht eine Art „Tunnelblick“
– Es macht bequem: stelle ich an einem Punkt fest, dass ja auch was anderes passieren könnte, müsste ich aber den ganzen Plot entsprechend ändern. Iiiih. Das artet ja in Arbeit aus! (Tut es sowieso, spätestens nach dem Lektorat …)

Mein Weg ist der:
Ich habe mich viel mit unterschiedlichen Methoden der Planung beschäftigt und greife zu der, die mir gerade passend erscheint.

Immer liegt dem Ganzen die „Heldenreise“ zugrunde. Sie ist die Mutter aller Geschichten; auch wenn Dir Dein Kind eine Gute-Nacht-Geschichte aus dem Stegreif erzählt, wirst Du diese Struktur erkennen. Sie ist auch die Mutter Deiner eigenen Geschichte, wieder und wieder (Nur hoffentlich nicht ganz so dramatisch wie in der Literatur)

Und dann gibt es ganz unterschiedlich genaue Arten, eine Geschichte zu planen. Je länger die Sache wird, desto genauer plane ich, sonst verrenne ich mich irgendwo und finde nie wieder zurück.
Hier ist mir die „Schneeflocken-Methode“ am liebsten:
Man tastet sich langsam an die Geschichte heran. Und das abwechselnd einmal an die Charaktere und dann wieder an die Handlung. Jedes Mal wird es genauer und konkreter. Das macht es leicht, Fehler oder Lücken zu finden und sie rechtzeitig zu korrigeren oder zu füllen. Es wäre nämlich ganz schön unangenehm, einen 80.000 Wörter-Roman komplett umschreiben zu müssen, nur weil man nicht bedacht hat, dass … !
Es beginnt mit „um was geht es denn?“, weiter zu „geht das ein bisschen genauer?“ über  „Wen aller brauche ich dazu?“, „jetzt noch etwas genauer, bitte“ und so weiter, bis parallel zueinander das „Casting“ und der Szenenplan fertig sind. Klingt nach viel Vorarbeit? Ist es auch! Mythos „Genie“ entzaubert, sorry, liebe „ich würde ja auch so gerne schreiben, aber …“ Mitbürger! Es ist Arbeit. Es ist Knochenarbeit. Aber eine der schönsten Knochenarbeiten, die ich mir vorstellen kann!
Besonders gut finde ich diese Methode für komplexe Handlungen wie Krimis oder Thriller oder für lange Geschichten, wie Romane (mir fällt gerade „der Medicus“ ein …).

Andere Methoden der Planung gibt es in allen möglichen Abstufungen, Genauigkeitsgraden. Heftig debattiert (in unserer Schreibrunde) ist manchmal die Methode: „Write into The Dark“ – sie wird leicht mit Bauchschreiben verwechselt: dabei bedeutet sie, zeitgleich zu schreiben und zu planen und zu überarbeiten. Nimm eine Figur und stell sie in ein Setting, und dann schau (mit den Fingern auf der Tastatur oder im Heft), was passiert. Dokumentiere es. Geh wieder zurück, wenn du was verändern willst oder musst. An dieser Methode gefällt mir, dass ich immer hautnah am Geschehen bin und meine Charaktere mich jederzeit überraschen dürfen. Aber das Wort „Ende“ – das gibt es erst, wenn das Werk reif für Lektor, Agent, Verlag … ist. Nicht eine Sekunde davor. Oh nein, es ist kein „Drauflosschreiben und dann schau ma mal“!
Ich mag daran, dass ich dabei kontrolliert spontan sein kann, aber disziplinert arbeiten muss. Einfach so schreiben und sagen: „Das besser ich dann beim Überarbeiten aus“, geht hier nicht. Ausgebessert wird immer sofort, sobald man eine Unstimmigkeit entdeckt. SOFORT. Und: ich schreibe eine Geschichte, die ich noch nicht kenne!
Diese Methode verwende ich am liebsten für Kurzgeschichten. Ob sie für mich auch bei größeren Projekten funktioniert – das verrate ich Dir, sobald ich es versucht habe 🙂

Oft ist es ein Mix aus mehreren Methoden, aus denen ich mir die Rosinen rauspicke oder die Teile schnappe, die mir gerade brauchbar scheinen.

Also: Ja, ich plane. Und: Ja, ich schreibe aus dem Bauch.
Wenn ich eine Orientierung habe; weiß, was ich will und wohin ich will, dann sind meine Figuren dran. Aber das Kommando bleibt bei mir!

Kopf- oder Bauch, oder wie kommt das Döner auf die Anrichte?

Es war wieder ein sehr feiner Workshop mit Anni heute! Thema war die Frage: Plotten oder Bauchschreiben. Mit geschickten Übungen hat sie uns an beide Möglichkeiten herangeführt. Für mich völlig neu war diese hier: Man nehme sich zehn Minuten Zeit zum Freien Schreiben. Als Starthilfe gab´s den Anfang: „Heute morgen habe ich …“ Aus diesem Text sollten wir uns Wörter oder auch Wortgruppen suchen, die uns irgendwie angesprochen haben und sie anzeichnen. Diese Begriffe waren dann die Basis für einen Text.
Außer „Sandra“ habe ich noch zwei Projekte für Heftromane in Arbeit, Genre Romantasy. Für einen davon nahm ich meine Begriffe zum Anlass, eine – für meine Verhältnisse – reichlich schmalzige Szene in Angriff zu nehmen. Der Roman spielt in Paraguay, eine junge Spanierin soll dort mithelfen, eine Schule zu errichten und diese dann leiten. Bei der Gelegenheit scheucht sie sämtliche indianische Gottheiten auf, die sich dagegen wehren, dass  Kinder der Natur entfremdet werden sollen (zumindest befürchten sie das). Es regnet ganz schrecklich (tut es immer im Mai in der Gegend, aber dieses Mal viel schlimmer als sonst), die Lehrerin  muss nach dem Abendessen im Haus ihres Auftraggebers übernachten. Die zwei sind natürlich schon ineinander verliebt, keiner gibt´s zu und er hat ein schreckliches Geheimnis – eh klar. In der Nacht betritt er ihr Zimmer, steht am Bettrand und betrachtet sie (Natürlich ist Vollmond …) . Sie ist sich am nächsten Morgen nicht sicher, ob sie das nur geträumt hat. Auf einer Anrichte findet sie etwas (da wusste ich noch nicht, was), von dem sie nicht weiß, ob das am Vorabend auch schon da gelegen ist. Könnte sein, aber es könnte auch sein, dass er ja doch da war und das Ding auf die Anrichte und beim Gehen vergessen hat. Im Freien Text (der Basis für die Szene) hatte ich unter anderem auch das Wort „Döner“ geschrieben und angezeichnet gehabt. Also wurde der Döner zum Platzhalter für diesen Gegenstand. Die Gruppe hatte sich dann für einen Handschuh als Indiz entschieden, weil er ja noch raus musste, um im Pferdestall nachzuschauen…. Und eine Testleserin für dieses „Werk“ habe ich bei der Gelegenheit auch gleich gefunden 🙂
Teil 2 heute war ein kurzes Exposé zu verfassen und kritisch auf Schwachstellen zu überprüfen. Bei der Gelegenheit habe ich mangels einer Idee eine Zeitung aufgeschlagen, festgestellt, dass brennende Altpapiertonnen länger brauchen, um zu einem Roman zu werden, dafür aber eine „Eiserne Hochzeit“ entdeckt, die zur Grundlage eines recht munteren Konzepts wurde. Fehlt ja nur mehr die Zeit, das alles umzusetzen…