Kopf oder Bauch – darum geht es in der heutigen Frage. Ratet: setze ich mich hin und schreibe drauflos, oder plane ich – bis hin zu jeder einzelnen Szene – ganz genau?
Falsch.
Wie meistens befindet sich selten jemand an einem Pol, sondern irgendwo dazwischen. Auch ich, obwohl wenn mein Stil vielleicht auf „Bauchschreiber“ tippen lässt. Sofern man nicht weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt, einen Text leicht hingeflossen und spontan wirken zu lassen.
Aber ich plotte auch nicht komplett durch. Es ist nämlich ganz schön langweilig, ein Buch zu schreiben, das man ja eh schon kennt.
Für das „Bauchschreiben“ spricht (aus meiner persönlichen Erfahrung):
– ich kippe schneller in den Flow und tauche voll in die Geschichte ein
– die Charaktere (siehe Tag 25) haben -fast- freie Hand, sie dürfen tun, was sie wollen und die Geschichte wird dadurch lebendig und frisch.
– Kreativität und fokussierte, also enge, Konzentration schließen einander weitgehend aus (Kreativität findet nur in der Entspannung statt, fokussierte Konzentration ist das genaue Gegenteil davon)
– es geht was weiter – und das motiviert.
– der „innere Lektor“ hat weniger Zeit, Zweifel aufkommen zu lassen; vor allem diese quälenden Zweifel der Autoren an sich selbst.
Nachteile hat die Sache aber auch:
– kennst Du das noch aus der Schule: „Themaverfehlung“ ? Traps, traps – und schon bin ich ganz woanders. Sind mir die Figuren davonspaziert wie Kinder aus der Zeit der komplett (!) antiautoritären Erziehung. Und dann versuch einmal, sie wieder auf Kurs zu bringen!
– Verzetteln. Weil´s grad so schön dazu passt, schreibe ich dann Dinge hinein, die nicht notwendig sind. Komme vom Hundertsten ins Tausendste. Erst vor ein paar Tagen habe ich ganz genau beschrieben, wie eine Frau ihren Blutzucker misst, und dann trotz des Ergebnisses noch ein Stück Apfelstrudel verzwickt. Doch, doch – es war soweit ganz gut. Es hat die Dame auch sehr gut charakterisiert (nicht nur der Griff zum nächsten Stück Kuchen, auch die Art, wie sie vorher gemessen hat) – aber: sowas von unwichtig für die Geschichte! Es ist außerdem nicht einmal die Protagonistin, also wozu dieser Ausflug überhaupt? Aber ja, ich hatte meinen Spaß daran, das ist ja auch was wert … Etwaige Leser werden allerdings unruhig, fragen sich, was das jetzt soll; wann die Handlung endlich weitergeht. Legen das ansonsten grandiose Werk vielleicht gar zur Seite :-O
Für das Plotten spricht (wieder aus meiner persönlichen Sicht):
– Am Thema dran bleiben.
– Das Wesentliche im Auge behalten
– einen roten Faden haben, der durch die Geschichte führt (auch und vor allem mich selbst)
– Das zu schreiben, was ich schreiben will.
– Ich weiß, was wann passieren muss, damit dann später etwas anderes passieren kann (zwei Mal hintereinander die Stufen hinunterlaufen ohne dazwischen auch einmal hinauf, das funktioniert nur, wenn jemand sich verdoppeln oder einen Astralkörper entwickeln kann)
Nachteile:
– strenges Plotten schränkt die Möglichkeiten einer Geschichte ein, sich anders -vielleicht besser- zu entwickeln. Es macht eine Art „Tunnelblick“
– Es macht bequem: stelle ich an einem Punkt fest, dass ja auch was anderes passieren könnte, müsste ich aber den ganzen Plot entsprechend ändern. Iiiih. Das artet ja in Arbeit aus! (Tut es sowieso, spätestens nach dem Lektorat …)
Mein Weg ist der:
Ich habe mich viel mit unterschiedlichen Methoden der Planung beschäftigt und greife zu der, die mir gerade passend erscheint.
Immer liegt dem Ganzen die „Heldenreise“ zugrunde. Sie ist die Mutter aller Geschichten; auch wenn Dir Dein Kind eine Gute-Nacht-Geschichte aus dem Stegreif erzählt, wirst Du diese Struktur erkennen. Sie ist auch die Mutter Deiner eigenen Geschichte, wieder und wieder (Nur hoffentlich nicht ganz so dramatisch wie in der Literatur)
Und dann gibt es ganz unterschiedlich genaue Arten, eine Geschichte zu planen. Je länger die Sache wird, desto genauer plane ich, sonst verrenne ich mich irgendwo und finde nie wieder zurück.
Hier ist mir die „Schneeflocken-Methode“ am liebsten:
Man tastet sich langsam an die Geschichte heran. Und das abwechselnd einmal an die Charaktere und dann wieder an die Handlung. Jedes Mal wird es genauer und konkreter. Das macht es leicht, Fehler oder Lücken zu finden und sie rechtzeitig zu korrigeren oder zu füllen. Es wäre nämlich ganz schön unangenehm, einen 80.000 Wörter-Roman komplett umschreiben zu müssen, nur weil man nicht bedacht hat, dass … !
Es beginnt mit „um was geht es denn?“, weiter zu „geht das ein bisschen genauer?“ über „Wen aller brauche ich dazu?“, „jetzt noch etwas genauer, bitte“ und so weiter, bis parallel zueinander das „Casting“ und der Szenenplan fertig sind. Klingt nach viel Vorarbeit? Ist es auch! Mythos „Genie“ entzaubert, sorry, liebe „ich würde ja auch so gerne schreiben, aber …“ Mitbürger! Es ist Arbeit. Es ist Knochenarbeit. Aber eine der schönsten Knochenarbeiten, die ich mir vorstellen kann!
Besonders gut finde ich diese Methode für komplexe Handlungen wie Krimis oder Thriller oder für lange Geschichten, wie Romane (mir fällt gerade „der Medicus“ ein …).
Andere Methoden der Planung gibt es in allen möglichen Abstufungen, Genauigkeitsgraden. Heftig debattiert (in unserer Schreibrunde) ist manchmal die Methode: „Write into The Dark“ – sie wird leicht mit Bauchschreiben verwechselt: dabei bedeutet sie, zeitgleich zu schreiben und zu planen und zu überarbeiten. Nimm eine Figur und stell sie in ein Setting, und dann schau (mit den Fingern auf der Tastatur oder im Heft), was passiert. Dokumentiere es. Geh wieder zurück, wenn du was verändern willst oder musst. An dieser Methode gefällt mir, dass ich immer hautnah am Geschehen bin und meine Charaktere mich jederzeit überraschen dürfen. Aber das Wort „Ende“ – das gibt es erst, wenn das Werk reif für Lektor, Agent, Verlag … ist. Nicht eine Sekunde davor. Oh nein, es ist kein „Drauflosschreiben und dann schau ma mal“!
Ich mag daran, dass ich dabei kontrolliert spontan sein kann, aber disziplinert arbeiten muss. Einfach so schreiben und sagen: „Das besser ich dann beim Überarbeiten aus“, geht hier nicht. Ausgebessert wird immer sofort, sobald man eine Unstimmigkeit entdeckt. SOFORT. Und: ich schreibe eine Geschichte, die ich noch nicht kenne!
Diese Methode verwende ich am liebsten für Kurzgeschichten. Ob sie für mich auch bei größeren Projekten funktioniert – das verrate ich Dir, sobald ich es versucht habe 🙂
Oft ist es ein Mix aus mehreren Methoden, aus denen ich mir die Rosinen rauspicke oder die Teile schnappe, die mir gerade brauchbar scheinen.
Also: Ja, ich plane. Und: Ja, ich schreibe aus dem Bauch.
Wenn ich eine Orientierung habe; weiß, was ich will und wohin ich will, dann sind meine Figuren dran. Aber das Kommando bleibt bei mir!