Heute spiele ich also Gott und erschaffe Welten.
Diese Woche wird überhaupt sehr, sehr unspannend und trocken für Euch – es geht um Technisches. Das Handwerk. Achje, jetzt hab´ ich mich doch glatt verraten, pssst, liebe Nichtschreibende Mitlesende, hört einfach weg. Nein, nein. Natürlich hat Schreiben nichts mit Handwerk zu tun. Das kann man einfach, oder man kann es nicht. Da kommt natürlich die Muse herbeigeflattert, küsst uns andersartige Wesen, die wir sind und schon ist die Geschichte, der Roman, der Bestseller da. Wenn Ihr nur mehr Zeit hättet, Ihr würdet ja auch, aber Ihr habt sie ja leider nicht, ganz zum Unterschied von uns …
Schluss, Nina. Aus. Ernsthaft werden jetzt. Weltenbau. Wie also baue ich die Welten, die ich beschreibe.
Nun, ich schreibe ja keine Fantasy, wie schon das eine oder andere Mal erwähnt. Daher sind meine „Welten“ relativ „normal“.
Aber ohne Papier, Tixo und Bleistift geht es nicht. Ein Radiergummi empfiehlt sich auch und ein großer Tisch.
Am Beispiel „Heinrichsbirken“ erkläre ich es Euch jetzt, ich mach es bei (fast) jeder Geschichte so:
Heinrichsbirken ist ein Dorf, nicht ganz klein – ich brauche ja einen Haufen Statisten dort – aber auch nicht groß. Für mich liegt es im nordöstlichen Waldviertel, vielleicht auch im westlichen Weinviertel – weil mir die Landschaft gefällt, und weil vor allem das Waldviertel in dieser Region viel Mystisches zu bieten hat.
Ein Dorf also. Es braucht eine Kirche und einen Kirchenwirt – es warert wegen der Kommunikation. Dazu natürlich ein Gemeindeamt, ein schäbiges Café und – weil´s ja dann viel lustiger wird – auch noch ein Nobelrestaurant. Und – weil´s ja dann gleich noch viel lustiger wird, das Restaurant im gleichen Haus.
Spätestens ab da wird gezeichnet. Also hier kommt man von der Autobahn und über diese Bundesstraße. Dann geht´s scharf nach rechts (hat nichts mit Politik zu tun! Nicht einmal symbolisch!) und da ist eine kleine Grünfläche … oder nein. Gewerbegebiet. Nein, das macht man nicht gleich zur Begrüßung, das kommt da wieder weg. Radiergummi. Fragezeichen. Der Flächenwidmungsplan ist ja auch erst ganz am Anfang. Ich „fahre“ also ins „Zentrum“, male die Kirche hin, den Kirchenwirt, das Postamt, die Schule. Hinter der Kirche brauche ich den Friedhof. Nicht, weil ich Krimis schreibe, sondern weil da auch eine Gärtnerei hin gehört ….
Apropos Gärtnerei. Habe ich nicht beschlossen, dass Sebastian Steiger eine Baumschule hat? Nicht hat. Leitet. Wohin mit ihr? Die braucht viel Platz. Großer Kreis rechts unten am Blatt für „Baumschule“. Ein Teil des Kreises landet am Tisch in dem Café, in dem ich gerade bin und auf eine Freundin warte.
Dann muss Sandra irgendwo wohnen. Die ist eine Alteingesessene, also wohnt sie in der Siedlung mit den Gärten. Hinter der Pizzeria (die im gleichen Haus wie das Café) – entsteht eine kleine Straße. So eine, in der man laut StVO nicht parken dürfte, weil sie zu schmal, aber keine Einbahn, ist. Dann noch zwei, drei Querstraßen und dann: Hier wohnt Sandra Grau. Ja. Hier.
Und hier mache ich einen Pfeil, der auf die nächste Doppelseite meines A4-Heftes zeigt. Fortsetzung da drüben.
Dann muss Maggie ja auch noch wo wohnen. Und weil das Grundstück ja der Anela Haslinger gehört und die ja auch noch den großen Hof hat, den im dritten Teil die Petra kauft, sollten die vielleicht nicht allzu weit voneinander …
Ein Bach sollte auch noch her. So eine Art soziale Trennlinie. Dort wohnen die „Normalen“, die Bürger und hinter dem Bach – ach lassen wir das. Genau. Nächste Doppelseite. Für „hinter dem Bach“.
Ich kenne mich in Heinrichsbirken inzwischen besser aus als in Wien. Weiß, warum die Trafikantin die Neonröhre, die schon seit Urzeiten blinkt, nicht tauschen will. Und warum sie ihren Laden unbedingt gegenüber vom Gemeindearzt braucht. Stehe in der Küche bei „Il Calabrese“ und verstehe, warum jeder den Laden „A la Mamma“ nennt.
So entstehen ganze Regionen, dazwischen Verbindungslinien, darauf Notizen über die Menschen, die da leben, ihre Hintergründe, was sie so tun und warum sie sind, wie sie sind. Denn um die geht es in Wahrheit doch: Um Marianne, Tellys Mutter, mit ihrem „Modesalon“; um den Kirchenwirt, der seit dem Tod seiner Seligen …; um Herrn Anton, der nicht verstehen kann, warum die Leute nicht verstehen; um Antonia Steiger, die ein Doppelleben führt – alles das nur, weil ich ein Dorf zeichne, in dem sich halt etwas abspielen soll. Aber was wäre denn ein Dorf ohne seine Bewohner (das ist übrigens schon die Kurzfassung von Tag 25)?
Ohne diese Zeichnungen wäre ich aufgeschmissen. Sie – und vor allem die Menschen, die da irgendwer sind, irgendwas tun und vor allem: irgendwas wollen und empfinden – bringen in meine Geschichten sehr viel Schwung und beeinflussen oft die geplante Handlung ganz massiv.
Wie? Ach so, ich hatte eine Melange bestellt. Ja, stellen Sie sie nur hierher, aber bitte nicht auf den Kindergarten!